Was hätte aus Fritz Lang werden können, wenn er nicht hätte 1933 migrieren müssen und in den Mühlen von Hollywood nicht künstlerisch untergegangen wäre?
Filme wie METROPOLIS, DIE NIEBELUNGEN, MABUSE, DER SPIELER und natürlich M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER sind Meisterwerke des frühen Films. Lang beherrschte so wohl den Stummfilm als auch den Tonfilm, was er mit seinen beiden letzten deutschen Filmen vor dem Krieg M und DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE bewiesen hatte.
Sein erster Mabuse-Film, noch als Stummfilm und in zwei Teilen gezeigt, basierte auf dem Buch von Norbert Jacques. Der schrieb dann auch auf anraten von Fritz Lang die Romanvorlage zu DAS TESTAMENT. Das Buch selbst erschien aber zu nächst nicht. Das Drehbuch verfasste dann wieder Lang’s Frau Thea von Harbou. Der Film wurde 1932 gedreht und wie es Damals üblich war, wurden zwei Sprachfassungen am Set mit der gleichen technischen Crew, aber mit anderen Schauspielern gedreht. Hier wurde eine französische Fassung gedreht. Ein anderes berühmtes Beispiel ist DRACULA, von dem tagsüber die englische Fassung mit Bela Lugosi gedreht wurde und in der Nacht eine spanische Fassung. Hier aber von einen anderen Regisseur.
Dr. Mabuse wurde wieder wie 1922 von Rudolf Klein-Rogge besetzt. Der hatte auch den verrückten Wissenschaftler Rothwang gespielt. Für die Figur Kommissar Lohmann war das bei Fritz Lang auch schon der zweite Auftritt. Allerdings nicht im ersten Mabuse, sondern im ersten Tonfilm von Fritz Lang M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER. Auch dort wurde Lohmann von Otto Wernicke gespielt. DAS TESTAMENT kam allerdings zu nächst nicht in die deutschen Kinos. Goebbels ließ den Film verbieten. Offiziell weil der Filom eine Anleitung zum Verbrechen geliefert hätte. In Wirklichkeit gibt es jede Menge Anspielungen und Parallelen zwischen Dr. Mabuse und Adolf Hitler. Was das NS-Regime natürlich nicht zeigen lassen wollte. Parolen und Aussprüche der Nationalsozialisten wurden von den Verbrechern bzw. von der Figur des Psychopathen Mabuse ausgesprochen. Mabuse schrieb quasi in Gefangenschaft sein Testatment, so wie Hitler sein Buch auch im Gefängnis schrieb.
Lang migrierte und der Verleih versuchte den Film nochmals umzuschneiden, was dann aber auch nichts mehr nutzte. Kopien wurden aus Deutschland rausgeschmuggelt. Uraufgeführt wurde der Film 1933 in Budapest. Kurz danach wurde er noch in Österreich, Hitlers Heimat, gezeigt. 1943 dann in den USA.
In Deutschland erst in einer kurzen Fassung 1951. 1973 wurde der Film rekonstruiert, aber bis dahin waren nur gekürzte Fassungen unterwegs. Ob man nun heute auf DVD oder BRD wirklich eine vollständige Fassungen zu sehen bekommt, kann heute natürlich Niemand mehr genau sagen. Aber die Fassung die ich auf DVD habe, ist zu mindestens fast 2 Stunden lang (was für Langs Verhältnisse wiederum recht kurz ist…)
Otto Wernicke war übrigens trotzdem er mit einer Jüdin verheiratet war, bis zum Kriegende in Deutschland geblieben. Goebbels hatte ihn bis zum Schluss immer wieder einsetzen lassen, so das Wernicke, der im ersten Weltkrieg gewesen war, nicht zum Kriegsdienst eingesetzt wurde. So hat er eben auch in vielen Propaganda-Filmen mitgemacht. So auch 1943 in TITANIC, der ironischer Weise auch ein Propaganda-Film war (die Geschichte wurde völlig verdreht und es wurden raffgierige Britten gezeigt, die unbedingt mit der Titanic das blaue Band gewinnen wollten, was nie geplant war, denn das Schiff war so oder so viel langsamer als andre Schiffe dieser Zeit. Und es gab im Film einen deutschen Offizier, den es nie gegeben hat, der die Katastrophe voraus sah, aber nicht erhört wurde). Wernicke spielte den Kapitän der Titanic. Nachdem der Film erste mehrere Drehbücher bekam, die dem NS-Regiem nicht gefielen, wurde auch zwischendurch der erste Regisseur verhaftet und erhangen in seiner Zelle aufgefunden. Ein Selbstmord war sehr unwahrscheinlich… Als der Film dann nach Wünschen von Goebbels und Co. fertiggestellt war, wurde er trotzdem nicht gezeigt. Nur in den besetzen Gebieten, aber nicht in Deutschland, weil man fürchtete das das Untergangsszenario die Deutschen verängstigen könnte bzw. auf den langsamen Untergang des dritten Reiches aufmerksam machen würde.
Auch der Film wurde zunächst dann gekürzt erst in den 50ziger Jahren in deutschen Kinos gezeigt. Immerhin waren die Trickaufnahmen von der Titanic so gut gelungen, das die Aufnahmen für eine spätere deutsche Verfilmung des Stoffes nochmals verwendet wurde.
DAS TESTAMENT ist in vielerlei Hinsicht ein wirklich interessanter Film. Einmal erzählt er natürlich eine spannende Kriminalgeschichte, die auch heute noch recht spannend wird. Den Schauspielern merkt man noch die Stummfilmära an. Das Overacting das man natürlich noch im Stummfilm gebraucht hatte, wo Emotionen nicht mit Sprache oder Lauten wieder gegeben werden konnten, wirkt hier manchmal etwas deplatziert. Otto Wernicke merkt man die Ära hier am wenigsten an. Natürlich nutzt auch Lang hier noch viele „Tricks“ aus Stummfilmen. So gibst es in vielen Szenen kein Dialog. Selbst wo Schauspieler ihre Münder bewegen. Soundeffekt gibt es auch wenige. Oftmals hört man nur wenige Geräusche in ganzen Szenen. Musik wurde auch sehr spärlich eingesetzt. Mehr zwar als z.B. bei DRACULA, um hier wieder diesen Vergleich zu ziehen, aber doch eben sehr spärlich. Was mir immer wieder bei den ersten Tonfilmen auffällt. Es ist wirklich seltsam. Hatte man bei Stummfilmen immer einen durchgehenden Soundtrack gehabt, so verstummt zunächst Anfang der 30ziger beim Tonfilm die Filmmusik.
Der Film hatte viele bedeutende Szenen. Um so verwunderlicher das zwar alle Welt noch METROPOLIS und M kennt und hier aus auch immer wieder Szenen zitiert werden, aber DAS TESTAMENT doch eher was für Filmfans ist.
Gleich die Anfangssquence des Films, die ohne Dialog auskommt, an den Stummfilm erinnert, aber eben auch keine Texttafeln braucht. Man hört die ganze Zeit das Stampfen von Maschinen. Das ist wirklich ein sehr eindringlicher un beklemmender Anfang für den Film.
Dann eben auch die Szene wie Lohmann eine Tatort betritt und man fast „echte“ Untersuchungen und Kombinationen von möglichen Vorgang des Verbrechens zeigt. So etwas wurde vorher auch nie groß gezeigt. Das ganze mit Sicherheit an den Methoden von Oberkommissar Ernst Gennat inspiriert. Wenn nicht sogar die ganze Figur des Kommissar Lohmann sich an Gennat orientiert.
Fantastisch auch die Szenen wie Professor Baum der Geist von Dr. Mabuse erscheint und von ihm Besitz ergreift. Ein Horrorfilm-Element, das man hier bei einem Krimi so gar nicht erwartet hätte. Die Maske für Mabuse ist hier brillant gemacht und lehrt einen noch heute das gruseln. Und die Stimme von Mabuse jagt einen auch heute noch eine Gänsehaut über den Rücken.
Unvergessen ist auch, das man hier am Ende des Films eine Autoverfolgungsjagt zu sehen bekommt. Nach damaligen Verhältnissen wirklich recht modern gemacht.
In der Rückprojektion schaut man auch nicht direkt auf den Fahrer, so das man im Heckfenster die Straße hinter dem Fahrzeug sieht, sondern Lang hat hier die Kamera von leicht schräg unten angesetzt. So das man den Himmel bzw. die vorbei fliegenden Baumkronen der Straße sieht. Das gibt ein ganz anderes Gefühl von Geschwindigkeit, als die übliche Heckscheiben Ansicht.
Ein Film den man unbedingt mal gesehen haben sollte! Bekommt von mir auch eine 9 von 10. Eben ein Meisterwerk!